Nike & ihre Omas:
„Mit Weisheit und Ruhe lassen meine Großmütter ihre Männer sie selbst sein”
Ich glaube, dass ich selten Paare gesehen haben, die bis heute noch so verliebt wirken, wie die Eltern meiner Mutter und die meines Vaters – sprich meine Großeltern. Dieses Funkeln in den Augen meiner Großmütter, wenn sie ihre Liebsten angucken und dann in alten Geschichten schwelgen: „Ich war damals 16 als ich Opa kennenlernte und ich war ja eigentlich einem anderen versprochen.“ Wie als wäre sie immer noch immer 16, strahlt die Mutter meiner Mutter. Kommendes Jahr feiern wir die Diamantenhochzeit der beiden, wie ich fälschlicherweise annahm. „Nike, das ist die Eiserne, die Diamantenhochzeit haben wir doch längst hinter uns“, lacht mein Großvater. „Und kommst du zur Feier?“ Na selbstredend, dieses Fest kann ich mir doch nicht entgehen lassen.
Ich verbringe sehr viel und sehr gerne Zeit mit meinen Großeltern.
Vor einigen Jahren hatte meine Großmutter mütterlicherseits einen Schlaganfall. Sie hatte fast ihr gesamtes Sprachgedächtnis und ihre Mobilität verloren und es folgten kleine Schübe weiterer Schlaganfälle. Zeitweise stellten wir uns alle darauf ein, dass ihr Zustand sich nicht verbessern würde. Nicht mit meiner Oma! Mit der größten Hingabe und Unterstützung meines Opas, lernte und lernte sie unermüdlich, setze sich vor Kreuzworträtsel, ging zur Gymnastik und machte kleine Lernspiele mit meinem Opa. Und heute? Ist sie 82, geht spazieren und redet wie ein Wasserfall. „Nur backen tue ich nicht mehr so gerne. Das ist mir alles etwas zu viel“, sagt sie leicht verlegen. Na ja – das hat sie auch genug. Für vier Kinder und daraus entsprungenen acht Enkelkindern hat sie in ihrem Leben, denke ich, an die 2000 Torten gebacken. „Fliegt ihr eigentlich noch?“, wollte ich neulich wissen. „Ja klar, nach Portugal im Herbst.“ erzählt meine Oma. Das hätte ihnen in den letzten Jahren von allen Reisen am besten gefallen.
Reisen tun die Eltern meines Vaters auch gerne. Wenn ich manchmal zusammenzähle, was ich alles gesehen habe, dann gibt es definitiv immer zwei Menschen, die noch eine ganze Menge mehr gesehen haben. Alleine in diesem Jahr waren meine Großeltern in Marokko, Córdoba, Sevilla, demnächst geht es nach Lissabon und mit dem Schiff nach Mallorca. Die Idee hatte mein Opa neulich, als er beim Einkaufen einen Reisedampfer entdeckt hat. „Wir sind doch schon so oft dahin geflogen.“ Beide haben viele Jahre auf Mallorca gelebt. Wahrscheinlich haben sie mir auch das Entdecker-Gen vererbt. Wenn man durch die Wohnung meiner Großeltern läuft, findet man überall Schätze von ihren Reisen – ein Bild aus Sri Lanka, ein Teppich oder eine Vase aus der Ferne. Von der Vase hätte meine Oma gerne zwei, sagte sie mir neulich. „Dann hätte ich daraus Lampen gemacht.“ Interieur ist eine ihrer Spezialitäten. Mode eine zweite – sie ist wahrscheinlich die modebewussteste und am besten angezogene Oma, die ich je getroffen habe. Fast jedes Mal, wenn ich sie besuchen komme, schenkt sie mir eines ihrer Vintagestücke. Ich freue mich natürlich riesig, noch mehr freut sich aber meine Oma, dass mir die Sachen so gefallen. Selbstlosigkeit. Etwas, dass ich mir von ihr abgeschaut habe und ein Leben lang nicht verlernen möchte – sich darüber freuen, wenn sich andere freuen. „Was soll ich denn mit den ganzen Sachen.“ Was für meine Oma als selbstverständlich erscheint, erkennen manche Menschen gar nicht oder erst sehr spät in ihrem Leben.
Neulich hat mein Vater meinem Opa einen neuen Laptop und ein Tablet mitgebracht.
„Oje, Nike, jetzt habe ich ihn an seinen Online-Skat-Freund verloren.“ Meine Oma verdreht ihre Augen. Ich gucke in den Bildschirm und sehe einen vollbauchige Comicfigur, die uns herausfördern angrinst. Und in der Tat – die Aufmerksamkeit meines Großvaters ist an dem Abend sehr verhalten. Online-Skat macht natürlich auch Spaß. Anstatt jedoch genervt zu sein, schüttelt meine Oma nur lachend den Kopf: „Möchtest du noch ein Stück Mandeltorte?“ Na klar.
Oje, Nike, jetzt habe ich ihn an seinen Online-Skat-Freund verloren.“ Meine Oma verdreht ihre Augen. Ich gucke in den Bildschirm und sehe einen vollbauchige Comicfigur, die uns herausfördern angrinst. Und in der Tat – die Aufmerksamkeit meines Großvaters ist an dem Abend sehr verhalten. Online-Skat macht natürlich auch Spaß. Anstatt jedoch genervt zu sein, schüttelt meine Oma nur lachend den Kopf: „Möchtest du noch ein Stück Mandeltorte?“ Na klar.
Was ich aber vor allem möchte, ist niemals zu vergessen, mit wie viel Respekt sich meine Großeltern begegnen. Mit welcher Weisheit und Ruhe meine Großmütter ihre Männer sie selbst sein lassen. Egal, wie stürmisch die Zeiten, wie voll oder wie leer die Konten waren, wie viele Kinder um sie herumwuselten – der Blick war immer auf dem, was da war und nicht auf dem, was fehlte. Immer an das Beste glauben, erfinderisch sein und immer im Vertrauen bleiben. „Nike, der Glaube hat uns all die Jahre getragen“, sagt der Vater meiner Mutter. „Ich glaube an nichts“, sagt mein anderer Opa. „Doch, ich schon.“ erwidert seine Frau. Glaube hin, Glaube her – egal an was oder wen sie glauben – irgendeine Kraft, eine tiefe Verbundenheit, ein Wille, eine Entschlossenheit hält sie seit Jahren fest zusammen und lässt sie glücklich gemeinsam durchs Leben wandern.
„Wie dankbar ich sein kann“, denke ich, während ich an dem besagten Abend meine Mandeltorte aufesse und mich langsam darauf vorbereite, mich auf den Weg und vollgefuttert in mein Bett zu begeben.