Anne & Oma Ute:
„Die Grenzen sind offen, auch im Kopf“
„Früher war alles besser? Diese Meinung verstehe ich nicht“, sagt Oma. „Jede Zeit hat seine guten und weniger guten Seiten.“ Oma wurde im Krieg geboren. Hunger und Kälte prägten ihr Leben. Und dann sind da Erinnerungen an Bombenangriffe, Luftschutzkeller und die Umstände der Nachkriegsjahre. Gesellschaftlich gesehen ist Oma in einem geteilten Deutschland aufgewachsen. Ich frage sie oft über das Leben im und nach dem Krieg und in der DDR aus. Denn ich kann mir eine solch begrenzte Meinungs- und Bewegungsfreiheit kaum vorstellen. Die Gespräche mit Oma und die Vergleiche unserer Leben machen mich immer wieder dankbar. Dann nämlich fällt es mir noch extremer auf, wie frei wir sind. Allein schon in puncto Meinungsäußerung – was wir heute alles im Internet (auch oft zu unbedacht) kommentieren?! Eine kritische Meinung zum politischen Geschehen in der DDR wurde meistens mit Haft bestraft. „Man wurde nach außen zum Heuchler gemacht“, erzählt Oma.
Auch wenn nicht alles schlecht war und wenigstens für Arbeit und Wohnraum gesorgt war, – dieser Mangel löst heute wiederum Existenzängsten in meiner Generation aus – weiß ich meine Freiheit und die Möglichkeiten um so mehr zu schätzen und auch in Zukunft zu bewahren.
Omas Wunsch war immer eine kleine Familie. Dieser Wunsch hat sich durch die Geburt ihrer Tochter und ihren zwei Enkelkindern erfüllt. Da unterscheiden wir uns sehr, denn einen Kinderwunsch kann ich nicht nachvollziehen.
Ich frage mich, ob es anders und ich familienbezogener wäre, hätte ich auch in der DDR gelebt. Mit der Vielfalt und Chancen, die meine Generation hat, sind Karriere und Selbstverwirklichung häufiger im Mittelpunkt. Als selbständige Künstlerin lebe ich für meine Kunst, das Entdecken, Lernen und Reisen. Abgesehen davon, dass ich bisher noch keine mütterlichen Gefühle hatte, wäre mir die Verantwortung für Kinder und Familie einfach zu groß, um weiterhin meinen Träumen und Interessen nachzugehen.
Ist meine Generation zu verwöhnt und selbstbezogen geworden? Das frage ich mich oft.
Bei Hey Nana geht es auch um die Frage, was die Generationen voneinander lernen können. Oma hat dazu eine klare Antwort: „Die Alten können und müssen lernen, die junge Generation zu verstehen und unbedingt auf sie zugehen, mit dem Fortschritt mithalten und sich Mühe geben. Ich bin froh die digitale Zeit noch zu erleben und ich bemühe mich auch mit der Zeit zu gehen und nicht als schusselig und dumm dazustehen.“ Ich war mega überrascht und stolz auf meine Oma, als sie mir erzählte, dass sie sich ein Smartphone gekauft hatte. Sie bat mich hin und wieder, dies und jenes zu erklären oder zu zeigen. Das habe ich natürlich gern gemacht. Manchmal war da auch etwas Geduld erforderlich und ich musste auch überlegen, wie ich Oma am besten erkläre was und wie viel ein Kilobyte und ein Megabyte ist und warum sie sehr viel Datenvolumen beim Streamen von Videos verbraucht. Nun nutzt sie Google Maps, schreibt mir Nachrichten auf WhatsApp und weiß mit der Technologie ihr Leben zu optimieren. Trotzdem hält sie es in Grenzen, will lieber nur ihr monatlich begrenztes Datenvolumen nutzen statt sich WLAN zuhause installieren zu lassen. „Denn wenn mann ständig Dinge im Internet nachschlägt”, sagt sie, gehe viel Zeit verloren. „Und ich erkenne das Suchtpotenzial.“ Stimmt. Meine Generation ist Opfer von scheinbar endlosem, ungezieltem Scrollen geworden. Auch ich verliere mich viel zu häufig in dieser schlechten Angewohnheit. Da sollte ich ein Beispiel an meiner Oma nehmen und öfter mal in die Natur spazieren und mit Freunden treffen. Denn für Oma ist das Liebe: die Liebe zur Natur und die Liebe zum Leben.